Kommt Rap im SRF trotz Cypher & Co. zu kurz?
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September
2020

Gegen den Kulturauftrag

Kommt Rap im SRF trotz Cypher & Co. zu kurz?

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Kommt Rap im SRF trotz Cypher & Co. zu kurz?

Tobias Brunner
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Kommt Rap im SRF trotz Cypher & Co. zu kurz?
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Rap ist in den letzten Jahren zum beliebtesten Genre avanciert - führt in den Massenmedien aber immer noch ein Nischendasein. Das SRF schreibt sich bei Anlässen wie der Bounce Cypher oder dem Openair Frauenfeld zwar immer wieder gross RAP auf die Fahne - doch reicht das, um der Bedeutung von HipHop gerecht zu werden? Gerade SRF3 als grösster CH-Radiosender mit aktueller Popmusik muss sich hier einige Fragen gefallen lassen.

Auch wenn das Radio im Zeitalter von Streamingdiensten immer mehr an Bedeutung verliert, ist es für Musiker*innen weiterhin eine wichtige Möglichkeit, sich einem grossen Publikum vorzustellen. Dem SRF kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da dessen Sender einen kulturellen und gesellschaftlichen Auftrag haben, dem sie folgen müssen. Dies unterscheidet sie von privatwirtschaftlichen Unternehmen wie Spotify - wie es dort aussieht, haben wir bereits in einem früheren Artikel behandelt:

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Radio erscheint als veraltetes Medium, doch für viele Menschen ist es die wichtigste Bezugsquelle von Musik. Auch diese Leute streamen oder kaufen Musik und gehen an Konzerte, doch in ihrem Geschmack lassen sie sich stark von dem beeinflussen, was im Radio läuft. Klar stimmt es, dass die Radionutzung stark abgenommen hat, doch tot ist das Medium deswegen nicht: Im Jahr 2019 wurden in der Deutschschweiz pro Person im Schnitt 96 Minuten Radio am Tag gehört.

Bundesamt für Statistik

Der Einwand, dass es vor allem ältere Menschen sind, die Radio hören, ist zwar berechtigt, doch auch bei den 15-29-Jährigen sind es im Schnitt noch 44 Minuten pro Tag, bei den 30-44-Jährigen 66 Minuten. Uns sollte es vor allem um die Menschen gehen, die sich für Popkultur interessieren, wozu Rap zweifelsfrei gehört. Dass SRF3 bei den meistgehörten Radiosendern auf dem zweiten Platz liegt und der Abstand zum ersten Platz, den SRF1 einnimmt, relativ klein ist, macht deutlich, dass sich viele Radiohörer*innen mit Pop in all seinen Ausprägungen identifizieren können. Die ganzen ähnlich ausgerichteten regionalen Privatsender verdeutlichen das.

Bundesamt für Statistik

Dass im SRF-Programm Rap zu kurz kommt, kann man wirklich nicht sagen. Der Bounce Cypher wird jeweils auf allen Kanälen beworben und strahlt weit über SRF Virus und seine eher bescheidenen Hörerzahlen hinaus. So gab es bei SRFzwei auch im Fernsehen Trailer sowie eine Nachbesprechung. Im Abendprogramm von Radio SRF3 gibt es wöchentliche genrespezifische Sendungen, wobei mit dem Black Music Special auch HipHop vertreten ist. Zudem wird auch das Openair Frauenfeld medienwirksam begleitet. Deshalb ist die Frage weniger, ob Rap im Programm stattfindet, sondern wie und vor allem: welche Art von Rap?

Ein weiterer Punkt ist, dass die meisten Radiohörer*innen eher wenig von abendlichen Sendungen mit Rap-Bezug mitbekommen. Denn Radio wird vor allem tagsüber gehört: im Auto, am Arbeitsplatz oder auch in Läden. Deshalb ist es wichtig, nicht nur die musikalisch vielseitigen Ränder zu betrachten, die man aus Prestige-Gründen gerne hervorhebt, sondern auch das Tagesprogramm.

Ein Song kann noch so gut sein und hat trotzdem keine Chance im Tagesprogramm gespielt zu werden, wenn er nicht sich nahtlos in die musikalische Ausrichtung einfügt.

Private Sender richten ihr Programm nach «Durchhörbarkeit» aus: Die Musik soll im Hintergrund laufen können, ohne negativ aufzufallen. Hörer*innen bekommen nur «gewohnte Kost», da musikalische Experimente zum Umschalten bewegen könnten. Die Songauswahl wird anhand von Marktforschung und Algorithmen getroffen. Dieses einheitliche Soundbild mit wenig Abwechslung kennt man auch von grossen Spotify-Playlisten. Nur ist es dort nach Genres geordnet, während es im Radio schlicht Pop ist.

SRF3 ist immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, das Tagesprogramm nach ähnlichen Kriterien zu gestalten. Dieser ist nur zum Teil gerechtfertigt: Zwar stützt man sich bei SRF3 auf technologische Hilfsmittel und Marktforschung, wie Michael Schuler, Leiter der Musikredaktion Pop/Rock, gegenüber SRF insider erklärt hat, doch die Auswahl geschieht redaktionell: «Beim Playlist Meeting selbst wird jeweils viel diskutiert und von den anwesenden Musikredaktoren müssen auch nicht immer alle gleicher Meinung sein.» Dass eine Redaktion und kein Algorithmus entscheidet, wurde auch dieses Jahr deutlich, als im Zuge der Coronakrise der Anteil Schweizer Musik massiv erhöht wurde. Gerade hier sieht man, dass Veränderungen möglich sind, wenn man nur will.

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Trotzdem haben auch SRG-Sender ein festgelegtes Soundbild, das wenige Abweichungen zulässt. Gegenüber der WOZ bezeichnete es Schuler 2015 als «Ausschlusskriterium». Das heisst: Ein Song kann noch so gut sein und hat trotzdem keine Chance im Tagesprogramm gespielt zu werden, wenn er sich nicht nahtlos in die musikalische Ausrichtung einfügt.

Wer einen «radiotauglichen» Sound hat, hat grössere Chancen gespielt zu werden. Gerade wenn man von der Musik leben will, wird dieser Gedanke kaum aus dem Hinterkopf zu vertreiben sein.

Bereits die Länge eines Songs kann zum Problem werden: Dies mussten etwa Eldorado FM merken, als ihr Albumtrack «Erst Zug» vor ein paar Jahren zwar in die SRF3-Playlist kam, aber Tommy Vercettis Part herausgeschnitten wurde. Auch klassisch heruntergerappte Bars sind schwierig: GeilerAsDu werden aktuell mit der pop-lastigen Single «Hologramm» seit dem Release im Juni regelmässig gespielt, während ihr stärker im Rap verankerter Nachfolge-Song «Venedig» nicht die selbe Beachtung fand. Gut für die Crew ist hier, dass sie beides können.

Die SRG hat schon lange kein Monopol mehr, trotzdem sorgt die schweizweite Verbreitung der SRF-Radiosender für eine privilegierte Position. Damit geht eine gewisse Verantwortung einher, die durch die Gebührenfinanzierung noch verstärkt wird. Der kulturelle Auftrag ist zudem in der Bundesverfassung, Artikel 93 verankert:

«Radio und Fernsehen tragen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung bei. Sie berücksichtigen die Besonderheiten des Landes und die Bedürfnisse der Kantone. Sie stellen die Ereignisse sachgerecht dar und bringen die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck.»

Dieses Gebot der Vielfalt bezieht sich vor allem auf die politische und geografische Landschaft der Schweiz. Es spricht aber nichts dagegen, dieses auch auf die Musiklandschaft anzuwenden. Gerade weil private Firmen musikalische Vielfalt nicht genug fördern können oder wollen, wie man an den Privatradios oder Streaming-Diensten sieht.

Eine kommerzielle Ausrichtung des zweitgrössten öffentlichen Radiosenders hat auch einen starken Einfluss auf Musiker*innen: Wer einen «radiotauglichen» Sound hat, hat grössere Chancen gespielt zu werden. Gerade wenn man von der Musik leben will, wird dieser Gedanke kaum aus dem Hinterkopf zu vertreiben sein. Er wirkt als «Schere im Kopf» auf den künstlerischen Prozess ein und hemmt diesen im schlimmsten Fall.

Im besten Fall führt es dazu, dass Musiker*innen ihr Soundbild verbreitern und auf einem Album dann sowohl radiotaugliche Songs als auch Experimentelleres oder klassische Rap-Sounds Platz finden.

Es gibt viele Beispiele von Schweizer Rapper*innen die vermehrt auf einen radiofreundlichen Kurs umgeschwenkt sind - sowohl aus künstlerischen als auch kommerziellen Motiven. Beides ist vollkommen legitim. Der Punkt hier ist viel mehr: Man kann diese Motive nicht mehr voneinander trennen.

Im besten Fall führt es dazu, dass Musiker*innen ihr Soundbild verbreitern und auf einem Album dann sowohl radiotaugliche Songs als auch Experimentelleres oder klassische Rap-Sounds Platz finden. Ein Rapper, der diesen Spagat erfolgreich meistert - und bereits schon mit seinem Debütalbum gemeistert hat -, ist Manillio. Seine Alben funktionieren nach einem solchen Muster, wobei der Wunsch nach künstlerischer Autonomie immer wieder durchscheint und mit seinem letzten Longplayer «Plus Minus» noch stärker verfolgt wurde.

Ein weiteres Beispiel sind auch die letzten paar Singles von davey6000, die zwischen Radiotauglichkeit und Experiment pendeln. «bitte chill» wurde so auch ein paar Mal auf SRF3 gespielt - im Gegensatz zu privaten Radiosendern. Das eher experimentelle «lovesongs» dürfte es hingegen auch beim SRF eher schwer haben.

Das Fazit fällt gemischt aus: Wenn Rap im Programm stattfindet, passiert das auf hohem Niveau und ist mit Virus und dem Black Music Special auch real. Und trotzdem reicht das noch nicht ganz. Denn wenn sich SRF3 weniger wie ein gewinnorientiertes Unternehmen geben würde und musikalische Vielfalt noch stärker im Vordergrund stünde - besonders im Tagesprogramm, könnten womöglich auch Musiker*innen mit einem für Radio-Ohren eher ungewöhnlichen Sound von ihrer Kunst leben. Dies müsste natürlich einigermassen behutsam passieren, da Radiohörer*innen schlicht daran gewöhnt sind, vom Radioprogramm nicht tangiert zu werden.

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