Das sind unsere Alben des Jahres
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Das sind unsere Alben des Jahres

Das sind unsere Alben des Jahres
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Wir nähern uns dem Jahresende und schauen auf ein bemerkenswertes Jahr CH-Rap zurück. Das sind die Alben, welche die LYRICS-Schreiberlinge dieses Jahr begeistert haben.

2022 war ein starkes Jahr für Alben. LPs, die zu grossen Teilen während der intensiven Coronapandemie entstanden sind, wurden nun endlich veröffentlicht und konnten wieder vor dem grossen Publikum gespielt werden. Von Newcomer:innen und OG’s bis zu lang ersehnten Kollabo-Alben, jeder und jede releaste im 2022. Das waren unsere Favourites.

Nativ - Marathon

Mit inhaltlicher Tiefe und musikalischer Finesse bewies Nativ einmal mehr, wieso er als einer der Besten seines Fachs gilt. Durch seine energetische und emotionale Performance auf den 16 Songs übermittelt er den Zuhörer:innen eine starke Dringlichkeit, wie etwa auf dem Track «L.» oder «Cancel Culture». Das ganze Album wurde von Sperrow exekutiv produziert, der sein Talent für dynamische und makellose Produktion wieder einmal zu Schau stellen konnte. Nativ ist wohl einer der wenigen Schweizer Rap-Artists, die noch grossen Wert auf eine umfassende Album-Experience legen, von der Ästhetik, zur sorgfältig kuratierten Tracklist bis zur Deluxe-Version von «Marathon».

Nadim Ben Said

LOU KAENA - Faire de la Place

Mit nur 16 Jahren releaste die Zürcherin LOU KAENA ihr Debütalbum «Faire de la Place» und begeisterte mit einem von Anfang bis Ende konsistentem und denkwürdigem Showcase ihres massiven Talents. An der Seite ihrer treuen Crew, dem Team Bassment, etablierte die Newcomerin ein neues Soundbild im CH-Rap mit Einflüssen aus Marseille-Rap und RnB. Dabei schuf sie mit ihren gefühlsvollen und ehrlichen Tracks ein paar der besten Momente des CH-Rap-Jahres. Ob mit ihrer unverkennbaren, warmen Stimme auf Songs wie «Bye Bye» oder «Pas la fin» oder mit hässigen Zeilen an ihrer Cypher-Performance von «Qui?». Mit ihrem rundum gelungenen Debütalbum setzt die junge Zürcherin Statements und deutet ihr riesiges Potenzial im CH-Rap an, womöglich in der Zukunft auch im internationalen Bereich.

Luca Mosberger

Pronto - LUNO V

Fast auf den Tag genau vier Jahre hat sich Pronto Zeit gelassen für sein neues Album. Nach dem Klassiker «Europe» (2018) droppte er Ende November 2022 den Nachfolger «LUNO V». Obwohl der Solothurner dazwischen fleissig Singles releaste und auf Features hoppte, ist das im Streaming-Zeitalter fast schon eine unverschämt lange Pause. Doch sie hat sich gelohnt: «LUNO V» reiht Banger an Banger an Banger. Dabei will Pronto nicht auf Teufel komm raus die grosse Hitsingle erzwingen – die er mit «Priceless» bereits im Vorfeld rausgehauen hat – sondern versucht vielmehr, auf jedem Lied einen eigenen Vibe zu kreieren. Da er den Grossteil der Beats in Eigenregie produziert hat, verweben sich die Instrumentals und Prontos sonore, charakteristische Stimme immer wieder aufs Neue zu einem Gesamtkunstwerk. Es ist dieser intuitive Zugang zur Musik und diese schiere Freude am Rappen, die Pronto aus der «Modus Mio»-Masse herausstechen lassen. Anspieltipps: «Finessexpress» und «Spla».

Luca Thoma

Makala - Chaos Kiss

Wenn Superwak-Produzent Varnish La Piscine seine Hände im Spiel hat, könnte man so lazy drübersäuseln wie man will und es würde trotzdem noch gut klingen. Dass Makala aber mit viel Effort säuselt, noch besser rappt und dabei von Coolness nur so strotzt, lässt «Chaos Kiss» zu einem weiteren Hochkaräter aus der Superwak-Ecke mit dem typisch Genf-eigenen Sound werden. Auch wenn die laid-back, sommerliche Stimmung nicht so gut ins eisige Jahresende passt – «Budapest», «Intro X6» oder «Prison Break» erinnern an bessere, wärmere Zeiten. Das alles mit Produktion, die nach Pharrell Williams klingt, und wenn das eingespielte Producer-Rapper-Duo dranbleibt, auch bald in ähnlicher Liga mitspielen kann. 

Sergio Scagliola

Tommy Vercetti - Sympathie für Hyäne

Das Album macht besonders Spass, weil Tommy sich für dieses Projekt primär von der Musik und nicht vom Inhalt leiten lässt. Das Assoziative, Verspielte steht über der musikalischen oder inhaltlichen Stringenz. In der Herangehensweise früherer Eldorado-FM-Mixtapes, mit Beats aus verschiedensten Händen, Zeiten und Stilrichtungen, klingt das Ganze irgendwie nach einer runden Best-Of-Compilation der jüngsten Zeit. Das lässt indes zu, dass Tommy Vercetti mit allen seinen gut geölten Rapper-Attributen auftrumpfen kann. Ob messerscharfe Systemkritik, seine ehrliche Auseinandersetzung mit sich oder seine schöpferische Liebe, Sprache zu wundervollem Gugus zu verwandeln: Ein bisschen wie bei der Emergenz – erst in der Gesamtheit liegt der eigentliche Reiz.

Moritz Wey

L Loko & Drini - MADE IN WIEDIKE

L Loko und Drini liessen sich trotz konstant hohem Output für den Nachfolger ihres Hit-Debüts «Balance» viel Zeit, um ihre Formel zu finden und in ihrem eigenen Studio an der Bahnhofsstrasse die Hits der nächsten CH-Rap-Generation zusammenzubrauen. Mit einer guten Prise Lokalpatriotismus und unzähligen Hit-Songs gelang den beiden Künstlern der Coup des Jahres: Mit «WILL NOMEH» dominierten sie den Sommer derart, dass das gefüllte Hallenstadion wie auch die Frauenfeld-Crowd, die eigentlich viel zu gross für die Soul Stage-Bühne war, die heimtückische Ohrwurm-Melodie aus vollem Hals mitsingen konnte. Mit «MADE IN WIEDIKE» untermauerten die beiden ihren Ruf als Hitmaschinerie wie auch, dass Züri einfach die motherfucking Sektion ist.

Luca Mosberger

EAZ & Xen - Thron

Für das lang ersehnte Kollabo-Album des Physical Shock-Duos Xen und EAZ gab es hohe Erwartungen zu erfüllen. Eine Challenge, welche die beiden Rapper ohne sichtliche Mühe meisterten. Neben der riesigen Nummer 1-Single «Motivé» vermochten auch die restlichen 13 Songs ohne Features zu überzeugen. EAZ's melodisches Gespür und Xen's Technik ergänzen sich Track by Track zur brillianten Kombo. Obwohl sich zuweilen eine inhaltliche Eintönigkeit einstellt, ist das Album unter dem Strich eine musikalische Meisterleistung. Die Beats, die von den PS-Hausproduzenten ROB und Lii angefertigt wurden, erinnern an die goldenen Dr. Dre-Westcoast-Zeiten und die darüber schwebenden Melodien und Flows des Rap-Duos sind gefährlich catchy.

Nadim Ben Said

Alwa Alibi - vo müede Fische u stiue Ching

Wochen vor dem Albumrelease war gefühlt die ganze Stadt Bern zugekleistert mit «vo müede Fische u stiue Ching», und dabei wurde nicht zu viel versprochen. Lyrisch wandelt das Album zwischen Rap und Spoken Word und es ist spürbar, dass sich Alwa Alibi in einem Prozess befindet, sowohl musikalisch als auch persönlich. Produziert von Simo Saster unter dem Label Forcefield Records ist hier ein Werk entstanden, welches der eindringlichen Stimme Alwa Alibis die gebührende Bühne bietet. Das Album überzeugt, weil es ein in sich geschlossenes Gesamtkunstwerk ergibt, das zeigt, weshalb das Format «Album» noch lange nicht ausgedient hat.

Yosina Koster

Kylo Dream - Body High

«I bin für die Generation so wie Lil Wayne. Oder so wie Pac. Oder so wie Juice»: Liechtenstein hat seinen Traplord gefunden. Grosse Worte, doch das kommt nicht von Ungefähr. Born und raised im Soundcloud-Mud über seine Kollaboprojekte als Duo mit seinem Produzenten Nick Spirit als Eh Luagen uf Eu bis zu seinen ersten Solo-Mixtapes: Kylo ist schon eine ganze Weile am Liefern. Jetzt, 2022 und der Schaaner ist «online poppin’ so wie iCarly».  Was heraussticht: Die Passion für die Ami-Trap-Culture. Auf «Body High», wie auch auf dem Vorgänger-Tape «Cooper der Shooter» reiht er unverfroren Line auf Line in spitzbübischer 21 Savage-Manier, spickt seine Tracks mit detailverliebten Referenzen: Von Lil Gotit über Gucci Mane, Thugger, Offset, Future bis Yeat. Ikonische Lines über Opiate und Opps, gerappt in Rick und Raf. Keine langweilige Trap-Kopie, sondern eine Neuinterpration, welche an der Grenze zur Persiflage kratzt. Die Authentizitäts-Frage mag man sich gar nicht erst stellen, dafür klingt alles zu frech und frisch. Für mich zumindest hat Kylo Dream etwas zurückgebracht, was mir hierzulande gefehlt hat: Unantastbare Coolness.

Damian Steffen

MzumO - Barzakh

Bereits auf seinen vergangenen Releases deutete MzumO an, dass in Zukunft mit ihm zu rechnen ist, doch erst auf «Barzakh» zeigt der Bachenbülacher die Vielfalt und das volle Potential, das in ihm steckt. In Zeiten von Superlativen, Materialismus und Megalomanie besticht MzumO nicht nur durch elegantes Beatpicking, einen stabilen Flow und smarte Wortspiele, sondern in erster Linie durch seine Ehrlichkeit und Nahbarkeit. Wenn er seine Erlebnisse im Nahen Osten und seine Alkohol-Exzesse schildert oder über seine Versagensängste und Selbstzweifel reflektiert, ist das authentisch bis zur Gänsehaut. Texte, Beats und Artwork sind alle aus einem Guss. Ein formvollendetes Stück Studenten-, pardon, Doktoranden-Rap.

Luca Thoma

Buds - DYSTOPIA

Verblüffend lange musste die Welt auf das erste Soloalbum von Buds warten. Nun ist es hier und fasziniert auf allen Ebenen. Mit der visuellen Umsetzung von «DYSTOPIA» hob er die Messlatte des in der Schweiz bisher Gesehenen auf ein ganz neues Level. Beachtenswert ist auch, dass er die Songs abwechslungsweise nicht nur wie gewohnt auf Französisch, sondern auch in seiner Muttersprache Portugiesisch aufnahm. «BAILE» oder «LAGRIMAS», welches durch ein Pronto-Feature verziert wurde, sind beides lebhafte Ohrwürmer und «Magueira» ein entspannender und melodischer Mellow-Song. Dazu verzaubert der Westschweizer zusammen mit CH-Producerlegende Questbeatz auf «DYSTOPIA» mit harten Trap-Beats, sanften Autotune-Melodien und rythmischen Grooves, was insgesamt für eine grosse Vielfalt in nur 10 Songs führt.

Nadim Ben Said

DAIF - alles was mir hend wölle isch alles (und alles was mir becho hend isch chalt)

Die Abkehr vom üblichen Rezept, Standard-16er auf die unspeziellsten Beats zu klatschen, ist was ich in der Schweiz schmerzlich vermisse – aber in den letzten zwei Jahren endlich ein wenig praktiziert wird. DAIFs «alles wo mir hend wölle isch alles» ist kein Rap und deshalb ein Paradebeispiel dafür. Die gewohnte Messerspitze HipHop, eine Prise Punk, eimerweise Melancholie, angereichert mit Herzschmerz, garniert mit Eklektik und viel Traurigkeit und wie immer präsentiert mit viel Liebe zum Detail. Und die crème de la crème ist, wenn mir DAIF frühmorgens im Bus «ficked eu alli» ins Ohr schreit.

Sergio Scagliola

SANTO - SANTORAMA

Ein einzigartiges und hochspannendes Album dieses Jahr, beziehungsweise ein musikalisches Phänomen, welches in der Schweiz in dieser Form selten auftritt, war «SANTORAMA»: Das Producer-Tape des Westschweizers SANTO. Er kombinierte insgesamt 17 Künstler:innen, drei Sprachen und unzählige Musikstile auf seinem Album, was in einer einmaligen Hör-Erfahrung kulminierte. Mit grossen Namen wie KT Gorique, Nativ, Naomi Lareine und Slimka überzeugte das 15 Songs schwere Album nicht nur auf Papier. Die Production lebt von SANTO's Liebe zum Detail und einem konsequenten Wiedererkennungseffekt, der sich durch alle Beats zieht. Sein technisches Feingefühl und Knowhow kommt nicht von irgendwo: SANTO produziert bereits seit über zwei Jahrzehnten. An der Verspieltheit mancher Beats lässt sich heraushören, dass die Artists viel Spass im Studio hatten.

Nadim Ben Said

Lo & Leduc - Mercato

Die Pandemie versetzte das Berner Mundart-Duo Lo und Leduc in einen Zustand der bisher kaum in diesem Ausmass existenten Arbeitswut und Inspiration. Gleich zwei ganze Alben releasten sie im 2022: «Mercato» und «Luft». Besonders ersteres glänzte mit frischen Ideen und einem grossartigen, modernen Soundanstrich, welchen die Jugglerz und wainvel zu verantworten haben. Mit dem selben Ausmass Detailliebe diese die fantastische Produktion behandelt haben, sind auch Lo und Leduc die lyrischen Inhalte angegangen. Mit Worten und ihren Bedeutungen zu spielen ist nach wie vor eine spürbare Leidenschaft in der Musik der beiden Berner, was «Mercato» zu einem deutlich vielschichtigeren Werk macht, als die Deutung des Gemischtwarenlädelis als übergreifendes Albumkonzept den Anschein macht. Anspieltipps: «Rewind» und «Gschirr».

Luca Mosberger

Cinnay - Nucleus

Cinnay zeigt sich auf «Nucleus» als Artist, der eine klare künstlerische Vision verfolgt und keine Angst vor Experimenten hat. Unterschiedlichste musikalische Einflüsse werden in einem modernen und einheitlichem Soundbild vereint. Detailverliebt und trotzdem auf dem Punkt: Die Lyrics sind vergleichsweise reduziert und erzeugen mit wenigen Worten viel Atmosphäre. Noch deutlicher als in der Vergangenheit tritt Cinnay auf dem Album als Sänger in Erscheinung – und fühlt sich sichtlich wohl dabei. Gleichzeitig stechen die Momente, in denen er klassische Bars rappt, noch einmal stärker heraus.

Tobias Brunner
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