«Sexismus hat keinen Platz in der Musik» - 01099 im Interview
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2022

Eine neue Generation Deutschrap

«Sexismus hat keinen Platz in der Musik» - 01099 im Interview

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2022

Eine neue Generation Deutschrap

«Sexismus hat keinen Platz in der Musik» - 01099 im Interview

Lenard Baum
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«Sexismus hat keinen Platz in der Musik» - 01099 im Interview
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Wer ein wenig im Deutschrap des letzten Jahres unterwegs war, kam an dieser Zahlenkombo nicht vorbei. Im Interview sprechen die Ostdeutschen über den Generationenkonflikt im HipHop, Political Correctness, Vorfreude aufs Openair Frauenfeld und von Plänen, auf Französisch Musik zu machen.

Seien es Sommerhits wie «Durstlöscher» und «Frisch», welche allein auf Spotify über 40 Millionen Streams gesammelt haben, Kollabos mit BHZ auf «Halligalli» oder mit Vorbild RIN auf dem «1976»-Remix - die Jungs von 01099 sind im Deutschrap angekommen. Hinter 01099 stehen die vier Dresdner Gustav, Zachi, Paul und Dani (wobei letzterer mitten im Studium steckt). Alle zusammen in Dresden-Neustadt geboren, ergab sich aus der Postleitzahl schnell der Name der Gruppe. Ein beliebter Trend bei Newcomern, für den Szenegrössen wie UFO361 und Kasimir1441 in der Vergangenheit den Weg geebnet haben. Doch 01099 sind mehr als nur die neusten Hypetrain-surfenden Newcomer der Stunde. Dies bewiesen sie etwa beim 16Bars-Contest «BarsAufLevel» wo sie eine Zusammenarbeit mit den Produzenten-Grössen Lucry & Suena (Apache 207, Joker Bra, Azet & Zuna) klarmachten. Mit ihren melodischen Rap-Parts über wilde Ausgangsgeschichten und den mit aberwitzigen Drohnenshots gefilmten Videos mit Selfmade-Charme vermittelt die Crew ein positives Lebensgefühl und steht für entspannte Gute-Laune-Musik. Die Jungs haben Ihren Stil gefunden, wobei Fans sich dieses Jahr auf vieles freuen können von Ihnen.

Mit der immer höheren Wahrscheinlichkeit eines richtigen Festivalsommers haben die 01099er sich dieses Jahr viel vorgenommen. Geplant sind 14 Festivals allein im Sommer, neben dem Splash darf das Frauenfeld dabei natürlich nicht fehlen. Ebenfalls stehen die teils schon ausverkaufte Tour quer durch Deutschland samt Stopp im Dynamo und der Release ihres neuen Albums «Altbau» an.

Starten wir mit einem Rückblick. Ihr hattet ein wahnsinniges erfolgreiches 2021, voll mit Höhen wie der ersten Tour, aber auch mit Tiefen, etwa die Corona-bedingten Absagen in der Heimat Sachsen und dem abgesagten Frauenfeldli-Auftritt. Wie seht ihr auf das Jahr zurück?

Zachi: Viel mehr Höhen. Wir durften 2020 keine Konzerte spielen und letztes Jahr dann circa 30 Shows. Das hat alles funktioniert, wir haben neue Leute kennengelernt und viel dazugelernt. Wir konnten das machen, worauf wir Bock hatten. Wir haben viel produziert aber auch etwas entschleunigen können. Ich glaube das Entschleunigen tat uns gut. Nach dem Touren hätten wir sonst noch sieben Festivals im Sommer gespielt.

«Es wäre schön, wenn es es immer mehr Leute gäbe, die sich bewusst werden, dass Sexismus nicht in die Musik gehört.»

Paul: Es war ein krasses Jahr. Das jetzt der Name 01099 eine Art Grösse hat und wir für Interviews angefragt werden, ist alles eine Sache von 2021. Zuvor hatten wir einfach unser Ding gemacht, mit unserer Base in Dresden, welche kontinuierlich gewachsen ist. Richtig gross wurde alles letztes Jahr und damit kam der Trubel in unser Leben. Neue Abenteuer und Aufgaben haben es ein unfassbar geiles Jahr werden lassen.

Von eurem Booker Landstreicher werdet Ihr als «Hiphop / Pop Act der Generation Nachhaltigkeit» beschrieben. Eine Bezeichnung, die man wohl in der Deutschrap-Bubble nicht mehr als einzigartig bezeichnen darf. Wie sieht Ihr euch so in der Deutschrap-Bubble?

Zachi: Was sehr wichtig ist für uns und wofür wir für die nachfolgende Generation einstehen, ist, dass Sexismus keinen Platz hat in der Musik. Es wäre schön, wenn es es immer mehr Leute gäbe, die sich bewusst werden, dass Sexismus nicht in die Musik gehört. Das ist ein grosser Punkt, wo wir uns sehen und wofür wir einstehen in der Deutschen Rap Bubble.

«Wenn Hate, gab es den von der Hiphop Head Bubble. Sprich: Fans, die mit Bushido und Aggro Berlin gross geworden sind.»

Gab es da schon Anfeindungen seitens Hiphop Bubble, welchen diese Einstellung nicht gefallen hat?

Paul: Ich muss sagen, von Künstler-Seite gar nicht. Wenn Hate, gab es den von der Hiphop Head Bubble. Sprich: Fans, die mit Bushido und Aggro Berlin gross geworden sind. Für die ist Hiphop etwas anderes und die verstehen nicht, was für Musik wir machen. Das spiegelt sich in Insta- oder YouTube-Comments wider. Dass uns Künstler aus der Szene kontaktierten und meinten; «Ey Leute, was ihr macht ist weak», das kam nicht vor.

In dem Fall ein gewisser Generationsunterschied bei manchen?

Paul: Jede Generation hat wahrscheinlich einen anderen Anspruch an das, was ihre Musik machen und bewirken soll.

Gustav: Ich habe den Eindruck, dass sogar eher Interesse an uns von Künstler-Seite vorhanden ist. Wir hatten neulich eine Anfrage aus einer Region, der man eher Texte zuordnet, welche wir nicht feiern. Ich war davon ziemlich überrascht. Es hat am Ende nicht funktioniert, aber es war interessant zu sehen, dass es da eine Annäherung gab.

Ihr fährt seit mehreren Jahren eine Weihnachtsliedtradition, wie sie sich jetzt relativ selten im Rap findet. Wo kam die Idee dafür?

Paul: Ich weiss gar nicht, wie das entstanden ist? Das muss um 2019 gewesen sein. Da kam Gustav am 22. Dezember und hat gesagt; «Jungs, wie wäre es mit einem Weihnachtslied?». Wir haben dann sehr schnell den Song fertig gemischt. Das war sehr krank. Wir haben dann das Video in einem Rutsch gedreht.

Gustav: Letztes Jahr hätten wir sogar beim grossen Dresdner Adventskonzert gespielt. Das fette Advents-Ding im Dynamo Dresden Stadion. 30`000 Menschen wären da gewesen. Das hat leider nicht funktioniert wegen Corona, vielleicht dieses Jahr. Dann hätte man das Weihnachtslied mit Kreuz-Chor und orchestraler Begleitung erleben können. Das wäre fett geworden. Wir haben daher sicher noch Luft nach oben, dass es jedes Jahr noch lustiger und krasser wird.

Ihr habt alle eine Ausbildung in klassischer Musik respektive in Jazz-Musik genossen. Seitdem hat sich das Gerücht verbreitet, dass Ihr euch im Orchester kennengelernt habt. Das entspricht nicht der Wahrheit, oder?

Paul: Das muss aus einem unserer ersten Interviews kommen. Wir haben das unkommentiert stehen gelassen und seitdem ist das ein Fakt, den sich alle so rauspicken. Mit 12 geht man so ins Orchester, nicht? Wir kennen uns schon deutlich länger. Wir haben im selben Viertel gewohnt und waren auf den gleichen Kindergeburtstagen. Es klingt geiler, dass wir uns im Orchester kennengelernt hätten, aber das stimmt einfach nicht.

Sollte sich Deutschrap eurer Meinung nach in gewissen Aspekten mehr ändern in Richtung klassische Musik?

Gustav: Ich finde nicht, dass sich die Szene ändern muss. Jeder sollte das machen, was er will. Wenn man zur klassischen Musik nicht so eine Verbindung hat, wie wir in der Kindheit es erfuhren, muss man das nicht machen. Wenn, dann kommt Hiphop und klassische Musik einfach zusammen, wenn es passt. Das scheint für einige Künstler:Innen der Fall zu sein. Zum Beispiel Loredana, welche mit einem Live-Orchester auftrat. In Deutschrap findet sich das immer öfters. Ich finde es immer richtig schön, wenn HipHop auf Klassik trifft, wie etwa auch bei Nura oder OG Keemo.

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Paul: Einen Satz kurz dazu: Es gibt immer die Frage, wieviel wir davon musikalisch profitieren, dass wir so eine Ausbildung genossen haben. Ich glaube nicht, dass uns das irgendeine besondere Stellung im Rap Game gebracht hat. Jeder findet da seinen Weg, denke ich. Es gibt so viele Künstler:Innen, die ohne musikalisches Vorwissen krasse Mucke machen. Mal Real Talk, es ist jetzt nicht so, dass wir krass sophisticated Musik-Theorie einbinden. Wir sitzen nicht zusammen und sagen; «Gustav, da muss noch eine Quinte rein». Es macht uns wahrscheinlich zu dem, was wir sind, da es Teil unserer Erziehung war.

«Der französische Track wird auf jeden Fall kommen, die Skizzen, die ich schon gehört habe, klingen krass.»

Auf «Durstlöscher» hast du [Zachi] ja einen Französischen Part. Ist da in der Zukunft mehr geplant? Ein eigener Song oder ein Feature mit einem Französischen Act womöglich?

Zachi: Es sind grössere Sachen geplant. Ich habe mich bis jetzt noch nicht getraut, einen kompletten Track auf Französisch zu machen. Bock hätte ich sehr auf ein cooles französisches Feature. In dem Bereich gibt es einfach unfassbar coole Artists. Ich glaube aber, dass ein ganzes französisches Lied nicht so funktionieren würde. Das ist zwar nichts Schlimmes, aber man merkt, wenn bei «Durstlöscher» beim französischen Part weniger Leute mitsingen. Das nehme ich niemanden übel. Es ist normal, dass die Leute dann nicht so on fire sind. Es gibt viele, die den Part verstehen und sehr viele, die den nicht verstehen. An sich hätte ich Bock aber auf ein französischen Song. Es wäre sehr geil, aber ich glaube, dass es nicht der perfekte Zeitpunkt ist. Es wäre schöner, wie gesagt, mit einem französischen Artist als Feature etwas zu machen, was dann in Frankreich oder in der Schweiz Anklang findet. Ich denke aber, in Deutschland wäre das verschenkte Mühe.

Paul: [Zu Zachi] Ich glaube nicht. Ich verstehe dich auf jeden Fall, glaube aber nicht, dass es verschenkte Mühe ist. Der Track wird auf jeden Fall kommen, die Skizzen, die ich schon gehört habe, klingen krass.

Gustav: [Zu Zachi] Ja, ich habe auch das Gefühl, dass es bald ein französisches Lied von dir gibt.

Paul: [Zu Zachi] Ich denke, wir zwingen dich einfach. Es ist toll und ich bin da auch grosser Fan von dir.

[Zu Zachi] Schliesse mich Paul als Fan an, scheint, als müsstest du bald einen französischen Part machen. In der Schweiz singen bestimmt noch ein paar mehr mit.

Zachi: Die Schweizer sprechen das anders aus als die Franzosen. Ich sass mal in einem Zug in der Romandie und dachte so; «Was geht da ab?». Ich verstehe es, der Ton an sich ist aber zackiger. Ich fand das sehr funny.

«Ich freue mich natürlich auch auf die Tour und die Festivals. Das wir mal in die Schweiz kommen, das ist nochmals Neuland für uns und ist sehr spannend.»

Gibt es für euch wichtige Themen , welche ihr auf dem Album ansprechen möchtet?

Gustav: Das ist ein guter Punkt. Wir haben letztes Jahr viel unseren Film gefahren und viel Mucke gemacht. Wir haben oft Lieder gemacht, die in erster Linie unser Lebensgefühl thematisierte. Auf dem Album haben wir uns vorgenommen, ein bisschen diverser zu sein. Man kann viel mit Musik machen, mit der man bewegen oder Zeichen setzen kann. Ich denke, dass wir auf dem Album eine gute Mischung haben. Wir haben sehr darauf geachtet, dass wir uns nicht wiederholen und neuen Wind reinbringen. Das wird man auf jeden Fall hören. Es wird etwas anderes werden, aber immer noch Lieder geben, die denen ähneln, welche wir bisher gemacht haben.

Paul: Wir haben jetzt auch andere Möglichkeiten. Kontakte zu Künstler:Innen, die uns inspirieren und mit denen wir Musik machen können. Das gleiche gilt für Produzenten. Es ist verrückt, dass wir  uns mit Lucry und Suena so gut verstehen. Wir hatten beim BarsAufLevel Contest von 16Bars einen Beat von den beiden 2020 gewonnen. Das war der erste Minikontakt und jetzt können wir mit diesen beiden fantastischen Musikern zusammenarbeiten. Da kommt ein anderer Sound auch raus. Wir haben viel herumprobiert und es wird jetzt spannend. Ich bin sehr gespannt, wie die Reaktionen sind und freue mich darauf.

Mit Blick auf das Jahr 2022: Ihr habt wieder einiges vor, vom lang ersehnten Frauenfeld-Auftritt zur Tour bis in die Schweiz und Österreich. Auf was freut ihr euch am meisten im Jahr 2022?

Zachi: Gute Frage. For real, am meisten bin ich darauf gehypet, wenn das Album rauskommt. Danach haben wir 2 Wochen Luft und darauf freue ich mich. Realistisch gesehen. (lacht)

Paul: Ja, Zachi freut sich auf Urlaub. (lacht) Es steht viel krankes Zeug an, worauf ich mich freue. Die Tour, das Splash, Frauenfeld und die anderen Festivals.

Zachi: Ich freue mich natürlich auch auf die Tour und die Festivals. Das wir mal in die Schweiz kommen, das ist nochmals Neuland für uns und ist sehr spannend. Es ist aufregend, wenn wir in verschiedene neue Städte kommen, dort eine Show spielen und die Stadt noch nicht kennen. Es ist richtig cool, da man immer neue Leute trifft.

Gustav: Ich wollte etwas ähnliches da sagen. Ich habe echt Bock auf Österreich und die Schweiz. Zu erfahren, wie es dort so ist, darauf bin ich sehr gespannt. Wie die Leute auf unsere Musik reagieren und wie das so läuft. Die Züri-Show spielen wir sogar an meinem Geburtstag, darauf habe ich sehr Bock. Auf jedem Fall freue ich mich sonst noch auf die ganzen Festivals. Letztes Jahr hatte ich mich schon gefreut, beim Frauenfeldli zuspielen. Es ist einfach mehr, vor allem mit all den anderen die man dort trifft.

Ich kann da aber Zachi auch verstehen, wenn er nach einer ganzen Albumproduktion mal Urlaub braucht.

Zachi: Das Schöne bei so einem Projekt ist, dass man, wenn es endlich abgeschlossen ist, so viele nette Kommentare bekommt. Dass ist nicht selbstverständlich, und wäre das nicht so, ginge das auch voll in Ordnung. Es ist einfach etwas Schönes, wenn etwas geschnürt und gepackt draussen ist. Jeder der will kann es sich anhören, das ist einfach ein cooles Gefühl. Man hat dann ein grosses Paket aus Tour, Album und all den Erlebnissen. Dann eine Pause machen zu können und frisch danach weiterzumachen ist sehr nice.

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