«Für mich gibt es keinen Röstigraben»
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June
2022

Slimka im Interview

«Für mich gibt es keinen Röstigraben»

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2022

Slimka im Interview

«Für mich gibt es keinen Röstigraben»

Sergio Scagliola
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«Für mich gibt es keinen Röstigraben»
Quelle:
Das Genfer Ausnahmetalent Slimka steht dem internationalen Durchbruch zum Greifen nahe. Im Interview sprach er mit uns über die Challenge, als Romand in der Schweiz Erfolge feiern zu können, Bodenständigkeit, kommende filmische und musikalische Projekte und die Kooperation mit grossen Fashion-Brands.

Fünf Jahre nach der LYRICS-Titelseite hatten wir mit dem Superwak-Rapper an der Sneakerness das Wiedersehen. Seither hat sich einiges verändert: Slimka konnte noch grössere Erfolge verzeichnen und hat nun internationales Stardom in der Tunnel Vision. Der Schweiz möchte er aber keineswegs den Rücken kehren. Wir treffen den Rapper gut gelaunt vor der Halle 622.

Hast du dir schon etwas an der Sneakerness gekauft?

Ich hatte leider keine Zeit. Ich wäre gerne ein wenig herumspaziert, hätte mir gerne alles angeschaut, aber wir sind hergekommen, hatten direkt den Soundcheck und so war das etwas kompliziert, alles unter einen Hut zu bringen. Naja – wenigstens hatte ich nach der Show noch etwas Zeit, einen Blick in die Halle zu werfen. Die Zeit habe ich primär beim Finelli-Stand verbracht, mir einige Kleider gekauft, aber für Sneaker hat es nicht gereicht. Wir müssen leider auch bald wieder los – Abendessen, Hotel und Afterparty warten. (lacht)

«Die Brand oder das Modell ist mir diesbezüglich relativ egal. Es geht um das Feeling und um das, was mir auffällt.»

Was fehlt denn noch in deiner Collection? Ist die schon gut ausgeschmückt oder fehlt noch ein staple piece?

Einige Schuhe fehlen schon noch. Aber ich muss auch sagen, ich mache eher Impulseinkäufe, als dass ich sehr klar weiss, was ich noch alles haben will. Ich funktioniere sozusagen nach dem Prinzip sehen-lieben-kaufen. Die Brand oder das Modell ist mir diesbezüglich relativ egal. Es geht um das Feeling und um das, was mir auffällt.

Apropos auffallen – du bist Teil der #gonoticed-Kampagne von Zalando. Wie erlebst du die Zusammenarbeit mit einer Marke dieser Grösse?

Also in erster Linie ist es einfach mal cool, dass eine solche Zusammenarbeit nun geschehen kann. Es macht mir Freude und es bestätigt mich auch in meinem Wert sozusagen. Ich fühle mich sehr wertgeschätzt. Und es gibt mir natürlich auch Antrieb, solche Zusammenarbeiten auch in Zukunft verfolgen zu können.

«Es ist sicherlich nicht einfach, als Romand in der Deutschschweiz Anklang zu finden.»

Geschieht das nun öfter, dass du von riesigen Marken und Namen angehauen wirst?

Immer mehr. Ich weiss nun auch langsam, wie diese Dinge funktionieren, nachdem diese Anfragen vermehrt reingekommen sind. Zalando ist natürlich ein riesiger Schritt nach vorne diesbezüglich, deshalb bin ich auch ganz grundlegend sehr zufrieden und schöpfe eben auch aus dieser Wertschätzung, die ich so erfahre. Deshalb darf das von mir aus gerne noch eine Weile so weitergehen.

Um den Namen der #gonoticed-Kampagne ein wenig umzukrempeln: Als französischsprechender Artist schien es immer nicht allzu einfach, in der Schweiz Reichweite zu bekommen. Wie hast du das beobachtet in den letzten Jahren, in denen ihr als Superwak Clique auch international Erfolge verzeichnen konntet?

Es ist sicherlich nicht einfach, als Romand in der Deutschschweiz Anklang zu finden. Aber gleichzeitig haben wir schon vor vier bis fünf Jahren in der Deutschschweiz Konzerte gespielt, die immer sehr gut besucht waren. Und die Leute waren auch begeistert und hyped, das waren wirklich krasse Gigs. Dazu kommt auch, dass während all diesen Jahren die Deutschschweizer Artists sich immer mehr auch in «unserer» Szene vernetzt haben und so viel Kollaboration entstanden sind. Das war sicherlich ein grosser Schub für die gesamte Rap-Szene der Schweiz. Es ist einheitlicher geworden, der Röstigraben war in der Vergangenheit viel markanter. Aber vielleicht für uns spezifisch, die schon früh Anklang in Frankreich gefunden hatten, war es auch schwierig, diesen Graben immer zu überbrücken. Denn die Sprachbarriere ist schon kompliziert, gerade im Hinblick auf das Internationale. Aber ich für meinen Teil, heute, 2022, liebe die Deutschschweiz und ihre Musik. Deshalb hoffe ich wirklich, wir kriegen die gesamte Zusammenführung irgendwann hin.

«Ich hätte gerne Erfolg in der Schweiz. Da drückt dann vielleicht ein wenig Patriotismus durch.»

Die Vernetzung geschieht aber schon auch nahe der Sprachgrenze ­– gerade Bern, Biel oder auch Murten sind ja besonders bekannt für bilinguale Releases…

Das stimmt schon. Vielleicht kommt die Stossrichtung auch von hier, aber auch in Zürich sehen wir viel Wertschätzung, viele Experimente und viele Versuche, dieses Festgefahrene aufzubrechen. Deshalb hat mich das auch nie frustriert oder mitgenommen, dass die Kollaborationen ein wenig mehr Zeit beanspruchen. Ganz ehrlich: Für mich gibt es auch keinen Röstigraben. Nur weil wir verschiedene Sprachen sprechen, heisst das nicht, dass keine Einheit besteht. Das gilt natürlich auch auf musikalischer Ebene.

Du hast es bereits angesprochen – Superwak hat international Eindruck hinterlassen und gerade in Frankreich habt ihr durchaus Erfolg. Ich ahne die Antwort – aber ist der Ort des Erfolgs irgendwie relevant für dich?

Für mich persönlich: Ich hätte gerne Erfolg in der Schweiz. Da drückt dann vielleicht ein wenig Patriotismus durch. Zuerst in der Schweiz und dann im Ausland, aber zu letzterem sage ich natürlich nicht nein. Weil: wir dürfen uns nichts vormachen – die Sprache ist ein klarer Vorteil, um in einem Land mit grossen Möglichkeiten, was musikalischen Erfolg angeht, zu punkten. Denn so können wir das tun, was wir wollen – damit meine ich beispielsweise auch Projekte ausserhalb der Musik. Und dafür arbeiten wir aber auch hart – deshalb wäre es wünschenswert, in jenem Land, in dem wir arbeiten, auch diese Wertschätzung zurückzubekommen. Und diese wollen wir schliesslich auch zurückgeben.

«Du bist nie Prophet bei den eigenen Leuten.»

2017 habt ihr bei uns noch gesagt, dass es als Artist aus der Schweiz einfacher ist, im Ausland Erfolg zu haben. Stimmt das immer noch?

Ich denke, das stimmt generell auch heute. Aber das hat weniger mit dem Land zu tun und mehr mit dem lokalen Kontext. Bei dir zuhause sind die Leute immer kritischer und gönnen dir deinen Erfolg und dein Werk weniger, als es ausserhalb der Fall ist. Wir sagen immer: Du bist nie Prophet bei den eigenen Leuten. Das lässt sich auch hier teilweise übertragen.

«Als Kulturschaffender ist es immer schwer und gerade als Musiker – letzten Endes bist du irgendwie alleine.»

Was konntest du von dieser Internationalität lernen?

Gerade in der Zusammenarbeit mit den grossen Künstler:Innen lernst du, das Game, die Musikszene als Ganzes, ein wenig zu verstehen. Du bekommst diesen Einblick und damit die Erfahrung, wie die Dinge laufen, was man machen muss und so weiter. Und das versuche ich, mitzunehmen, meinen Kreis aufzubauen, mich weiter zu vernetzen und zu schauen, wo das alles noch hingeht.

Hat dir diese Erfahrung geholfen, das Leben als Musiker einfacher bestreiten zu können?

Einfach ist es nie. Als Kulturschaffender ist es immer schwer und gerade als Musiker – letzten Endes bist du irgendwie alleine. Auch wenn du deine Leute rund um dich herum hast, es ist dein Produkt, das nach aussen geht, mit deinem Namen. Und das lässt dich grundlegende Fragen an dich selbst stellen, Zweifel kommen auf, der innerliche Druck wächst. Deshalb: es ist nie einfach. Die Leute denken immer, es sei so ein einfaches, gutes Leben – und das ist es auch – aber über die ganzen Überstunden und die mentale Belastung sprechen wenige. Es braucht Zeit Musik zu kreieren, es braucht Zeit, eine Karriere aufzubauen, seinen Stand zu festigen. Man muss bereit sein, auch gewisse Opfer zu geben.

Macht dir das noch immer denselben Spass?

Ja es macht mir Spass, weil ich liebe, was ich tue. Aber, wie ich dir schon gesagt habe, es ist nie einfach. Es gibt auch Höhen und Tiefen.

«Wir alle sind normale Menschen, wir lachen, weinen, essen – deshalb ist es mir wichtig, mir meine Normalität immer zu verinnerlichen und das gleichzeitig auch mitzuteilen.»

Wieso nennst du dich Kind des Volkes, enfant du peuple?

Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit, mich so zu sehen. Ich liebe Menschen, gerade auch wenn sie nicht allzu tief in der Musikszene verwurzelt sind, das ist immer eine gute Abwechslung (lacht). Ich schätze die Normalität des Lebens extrem und ich sehe mich auch als normalen Mensch. Nur mache ich zusätzlich noch Musik – und ich liebe es und leiste gefühlte 3000 Prozent. Aber genau deshalb sollte man etwas bodenständig werden, die Musik verleitet oft dazu, abzuheben. Wir alle sind normale Menschen, wir lachen, weinen, essen – deshalb ist es mir wichtig, mir meine Normalität immer zu verinnerlichen und das gleichzeitig auch mitzuteilen. Abgehoben zu sein, macht nur bitter.

«Ich will unbedingt irgendwann in einem Film mitspielen.»

Normal ist aber karrieretechnisch nicht mehr viel bei dir. Ich mag mich an ein Video eines Auftritts von dir und Di-Meh erinnern. Kleiner Club – offensichtlich viele eurer Freunde dort – ein dreissigminütiger, heimeliger Abriss. Vermisst du diese Zeiten?

Hm… ich glaube nicht. Aber wir sind ja auch noch immer vor Ort. Klar ist es grösser geworden, aber deshalb ist es nicht weniger familiär – auch wenn anders. Aber ich bin heute auch nicht mehr 22, das ist schon ein Unterschied. Heute muss ich mich um andere Dinge kümmern, muss auch professioneller werden und meine Zukunft ziemlich gut planen.

Könnte das auch ausserhalb der Musik sein? Du bist bekannt für deine extrem qualitativ produzierten Musikvideos. Wäre ein Film etwas?

Noch so gerne. Ich will unbedingt irgendwann in einem Film mitspielen.

Hast du ja bereits getan – in Varnish La Piscine's filmischer Umsetzung eines seiner Alben…

Stimmt! Aber wenn wir schon bei ihm sind. Können wir kurz über diesen Typen reden? Das ist doch unglaublich, nur schon dieses Filmprojekt war grossartig. Aber an dieser Stelle würde ich gerne betonen: Es gibt Leute, die einfach Musik hören. Und es gibt Leute, die hören hin. Und alle, die letzteres tun, lieben Varnish La Piscine. Kein Wunder wurde er jetzt von Ed Banger – Daft Punks Label – gesignt. Dieser Typ, ich kann's nicht anders in Worte fassen, wurde von Gott berührt (lacht).

«Ich hab’ noch was im Köcher…  Es ist kein Album, aber etwas ist auf dem Weg.»

Zum Schluss: Was hörst du gerade so?

Das Tape von Key Glock und Young Dolph habe ich oft gehört in letzter Zeit. Und natürlich Makala's Album «Chaos Kiss».

Und was ist bei dir los?

Ich hab’ noch was im Köcher… Ein Projekt, nennen wir es mal. Es ist kein Album, aber etwas ist auf dem Weg. Wir sitzen noch an der Fertigstellung, müssen noch einige Dinge perfektionieren und lassen uns auch dafür Zeit, aber es wird sicher bald News geben. Leider also keine Details für dich.

Klingt aber nicht nach einer momentanen «Tunnel Vision». Darum ging es doch im letzten. Wo ist der Tunnelblick jetzt?

Auf der Tournee! Konzerte, Festivals, den ganzen Sommer lang, das wird sicher anstrengend. Aber ich freue mich auf alles, was in naher Zukunft noch passiert. Aber ich frage mich schon oft, was der nächste Schritt genau ist. Luft nach oben gibt es immer und wir wollen jetzt, wo wir uns in dieser Szene eingenistet und es uns bequem gemacht haben, mal die Grenzen austesten. Aber auch hier, ich lasse mich da von meinen Impulsen und meinem Bauchgefühl treiben.

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