4 Dinge, die wir aus dem #BoycottLoredana-Movement lernen können
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2020

Was der Twitter-Shitstorm aufzeigt

4 Dinge, die wir aus dem #BoycottLoredana-Movement lernen können

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2020

Was der Twitter-Shitstorm aufzeigt

4 Dinge, die wir aus dem #BoycottLoredana-Movement lernen können

Moritz Wey
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4 Dinge, die wir aus dem #BoycottLoredana-Movement lernen können
Quelle:
dieserbobby
Die Twitterwelt stellt sich zurzeit gemeinsam gegen die Luzerner Rapperin. Vorausgegangen waren Berichterstattungen über die finanziellen Sorgen des mutmasslichen Betrugsopfers Petra Z. Wir fassen die wesentlichsten Impacts zusammen.

Im Frühling des letzten Jahres wurde der Fall bekannt: Loredana und ihr Bruder sollen ein Walliser Ehepaar um insgesamt rund 900‘000 Franken betrogen haben. Seit die Klägerin Petra Z. sie wegen Betrug, Erpressung, Nötigung und Drohung anzeigte, läuft ein Verfahren.

Nun sind im Rahmen eines Interviews neue Details zur privaten Situation des Walliser Ehepaars bekannt geworden. Am 11. Juni verstarb die Mutter von Petra Z. Doch dem mutmasslichen Abzock-Opfer reiche das Geld für die Beerdigung nicht, denn seit dem Vorfall müsse das Ehepaar mit 200 Franken monatlich auskommen. Dazu häuften sich offene Rechnungen von rund 46‘500 Franken an.

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Diese emotional aufgeladenen Schlagzeilen sorgten abermals für eine enorme Empörungswelle – innert kürzester Zeit reagierte die Twittercommunity mit einer klaren Boykott-Kampagne. Dies spaltete die Deutschrapszene, ihre Exponenten und Medien in verschiedene Lager: Die Wütenden, darunter auch einige Plattformen und YouTuber, forderten ein Berichterstattungsverbot und fütterten den Shitstorm. Einige Beiträge wurden nachträglich gelöscht. Auf der anderen Seite kritisierte man ebenfalls die Vorfälle gegenüber Loredana, wies aber im Besonderen auf die Hintergründe dieser besonders schwer ausfallenden Hass-Kampagne hin.

Daneben sorgten die News auch für Solidaritätsbekundungen. Nebst vielen Privatpersonen, die auf Petras Spendenaufruf reagierten und die Beerdigung ihrer Mutter mitfinanzieren wollten, meldete sich Bushido zu Wort. Nach dem er den Fall seit längerem medial verfolgte, sah er nun angesichts der äusserst schwierigen Situation akuten Handlungsbedarf. Er wolle dafür sorgen, dass zumindest die Beerdigung bezahlt werden könne – und noch ein paar Geldscheine für eine Auszeit des Paars drauflegen.

Twitter bleibt Plattform Nummer 1 in Sachen Deutschrap-Shitstorm

Der Shitstorm rund um den Boykott von Loredana zeigt erneut, welches Explosionspotenzial dem Medium Twitter unterliegt. Innert Kürze schlug das Thema enorme Wellen und es versammelten sich von Trolls mit Unterhaltungszielen über menschenverachtenden Beleidigungen bis zu moralisierender Kritik allerhand Beiträge. Im Vergleich mit anderen Rechtsfällen von Deutschrap-Acts lässt sich offenbar notieren, dass bei der Empörung und Wahrnehmung der Fans zwischen Straftaten wie Betrug, Häuslicher Gewalt, Waffenbesitz oder Raub stark unterschieden wird – und das oft ohne zu berücksichtigen, ob es sich um eine Anschuldigung oder eine Verurteilung handelt. An was soll gemessen werden, ob ein Boykott angebracht ist? Ausserdem lässt sich davon ausgehen, dass so schnell und massiv wie sich solche trendigen Hashtags verteilen, das Gekochte auch innert wenigen Tagen wieder abkühlt.

#boycottloredana – ein Aufhänger für Frauenfeindlichkeit?

Einige Szenemedien widmeten sich dem Hass-Hype in den sozialen Medien auf einer anderen Ebene. Tatsächlich offenbaren sich in der Breite und in der Einigkeit der Boykott-Kampagne Fragen zur kollektiven Wahrnehmung. Welche Details des Falls Loredana lassen die Missachtung ihr gegenüber ins Unermessliche steigen, während beschuldigte oder gar verurteilte Strassenrap-Kollegen wie GZUZ, Bushido, Xatar und Maxwell auf sozialen Medien vergleichsweise wenig Kritik einstecken müssen? Gewisse Fälle weisen nämlich grundsätzliche Parallelen auf: Sowohl Rapper der 187 Strassenbande wie auch Loredana zeigen wenig Reue und ihre (mutmasslichen) Taten beinhalten das Ausnutzen einer Machtposition gegenüber Schwächeren. Worin also liegen die Unterschiede in der öffentlichen Verurteilung? Geht es um Loredanas steilen und möglicherweise durch Betrug finanzierten Karriereverlauf, der schon von Beginn weg durch belastende Schlagzeilen begleitet wurde? Oder hat es am Ende damit zu tun, dass die männlichen Strassenrapper in der kollektiven Wahrnehmung der Fans vom kriminellen Image profitieren, weil es ihnen eher als Kredibilitäts-Bonus angerechnet wird und Loredanas Hasswelle im Netz nebst der nachvollziehbaren Empörung und Ablehnung auch noch mit sämtlichem frauenfeindlichen Gedankengut aufgeladen wird? Ein Blick in den Twitterfeed unter dem genannten Hashtags liefert unzählige Beispiele, die für eine solche Tendenz sprechen würden.

Doppelmoral: Realness wird doch nicht immer gefeiert

Ab wann wertet eine von einem/einer Musiker*in begangene Straftat seine/ihre Kunst auf? Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der harten Texte – gerade im Bereich des Gangsta- und Strassenraps – hat bereits eine längere Geschichte. Der Deutschrap-Journalist Falk Schacht lässt es sich, anlässlich des Boykott-Loredana-Trends, natürlich nicht nehmen, pointierte Fragen zu stellen. In seinem Tweet äussert er folgende Gedanken: Falls die Betrugsvorwürfe stimmen sollten, wäre Loredana angesichts der Faktenlage die realste Gangsta-Rapperin der Szene. Trotzdem fände sie bei vielen kein Gehör. Heisst dies nach Logik der Hater, dass deutscher Strassen- und Gangsta-Rap konsequenterweise nur funktionieren kann, solange er nicht real ist? Mit dieser Frage hält Falk der hassenden Realness-Fraktion leicht provokant den Spiegel hin.

In seinem Podcast erklärt Falk Schacht mit seiner Kollegin Jule Wasabi ausführlicher, warum der Hashtag schwierig ist. Ab 1:00:10 spricht das Duo über Loredana.

Dass eine Gangster-Rapperin von einem solchen Skandal eher profitieren sollte, prognostizierte auch LYRICS-Gründer Elia Binelli in seinem Interview mit der 20 Minuten: 

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Auch ein Gangster-Rapper kann die Geschichte klever für Promo nutzen

Bushido ist ein alter Hase im Deutschrap-Medien-Zirkus. Dass er sich als Mensch gegenüber der armen Petra Z. und ihrem Mann empathisch zeigt, mag man der Strassenrap-Legende zutrauen. Genauso ist ihm aber auch zuzumuten, dass er mediale Aufmerksamkeit geschickt zu nutzen vermag – etwa wenn im September wieder ein Album ansteht. In dieser Hinsicht hat er seine Chance, sein Image zu pflegen und sich engagiert zur Betrugsgeschichte zu äussern, ohne Loredana zu sehr in Abseits zu stellen, gekonnt genutzt. Promo hin oder her – das «investierte» Geld kommt am Ende scheinbar an der richtigen Stelle an.

Das Exklusiv-Interview von Bushido mit der 20 Minuten: 

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