LUUK - Von Strassenbalsam zur Wiedergeburt
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September
2021

LYRICS History Episode 4

LUUK - Von Strassenbalsam zur Wiedergeburt

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2021

LYRICS History Episode 4

LUUK - Von Strassenbalsam zur Wiedergeburt

LUUK - Von Strassenbalsam zur Wiedergeburt
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In unserer Throwback-Rubrik «LYRICS History» schauen wir zurück auf sieben ereignisreiche Jahre LYRICS Magazin. Die Printversion, die seit zwei Jahren nicht mehr produziert wird, bietet so einige Perlen, die sich nicht nur aus Nostalgiegründen zu lesen lohnen. Deshalb ein Rückblick auf einige unserer relevantesten, besten und spannendsten Artikel von 2014 - 2019.

2018 haben wir LUUK interviewt, der damals  sein viertes Album «Renaissance» releaste. Der Zürcher Rapper erzählte uns von seinen Zukunftsplänen, weshalb er seine Musik nicht in Genre-Schubladen stecken will, wie alle seine Alben zusammenhängen und weshalb er mit den verschiedensten Rap-Künstlern der Schweiz zusammenarbeitet.

LUUK - Von Strassenbalsam zur Wiedergeburt

Ende Oktober veröffentlicht LUUK sein viertes Album, «Renaissance». Der Zürcher verteidigt darauf seinen Status als festes Mitglied der Schweizer Rapszene und lebt seine Experimentierfreudigkeit grenzenlos aus. Es ist die Wiedergeburt, die Neuauflage seiner Vielseitigkeit und seiner Gabe, sämtliche Ecken der Schweizer Raplandschaft miteinander unter einem Dach zu vereinen. Im Interview spricht er darüber, wie er Old- und Newschool verbindet, seine Leidenschaft zu Rap ihn immer weitertreibt und was vielleicht nach der Musik kommen könnte.

Vom Newcomer ins «Nirvana»

Obwohl LUUK bereits als Jugendlicher im Rheintal zu rappen begann, dauerte es einige Jahre, bevor sich der gebürtige Zürcher von der Rolle des Szene-Geheimtipps zum etablierten Namen entwickeln konnte. Bereits auf seinem ersten Album «Coitus» aus dem Jahr 2013 war das Potenzial zu erkennen, das er mitbrachte – und erarbeitete schon damals mit Featuregästen wie Manilio, Steezo, Didi oder Chekaa zusammen. Soundtechnisch war das Projekt einziges Experiment, von einem Konzeptalbum war keine Spur zu erkennen.

Dann kam, erst drei Jahre später und deutlich gereifter, «1990» auf den Markt. LUUK hatte in der Zwischenzeit an seinen Skills und Texten gefeilt und hatte vor allem einen grossen Pluspunkt dazu gewonnen: Die gesteigerte Zusammenarbeit mit seinem Jugendfreund und heutigen Stamm-Produzenten DavïdM. Der Sound war gereifter, die Produktionen hochkarätiger, der Feature-Track «Puff im Revier» mit EAZ wurde zum Szene-Hit. Er erzählte ehrliche Storys aus dem Leben, erzeugte auf seinen Songs Atmosphären, denen jeder etwas abgewinnen konnte. Sein Status in der Szene war etabliert, LUUK war angekommen.

Und nur ein Jahr später, wurde mit dem Album «Nirvana» klar, dass der Zürcher nicht daran dachte, diese Position so leicht wieder aufzugeben. Selten hatte man auf einem Konzeptalbum eine so eingespielte Harmonie zwischen Produzent und Rapper gespürt – und die Texte sprachen immer noch jedem aus der Seele. Egal ob es sich um Tracks über das Crewlife, Drogenkonsum oder den alltäglichen «Struggle» handelte, LUUKs Geschichten waren immer nahbar und boten viel Fläche für Identifikation. Durch die Samples, die klassischen Beats und den verruchten Vibe auf «Nirvana» und «1990» war die Schubladen-Einteilung aber nicht weit. «Street-Rap», «Oldschool», «Boom-Bap»: Begriffe, die LUUK niemals hören wollte.

«Du bausch äs Huus, ich bau Songs.»

So war es vielleicht für einige Fans von LUUK überraschend, dass die Promophase für sein neues Album «Renaissance», das am 26. Oktober erscheinen wird, von zwei Singles eingeläutet werden, die diesen Oldschool-Charakter hinter sich gelassen haben. «TKPizza Rotwii» und «Isch scho oke» sind Tracks, die von ihrem Vibe leben und sich durch moderne Produktion auszeichnen. Das bedeutet nicht, dass sich der Style von LUUK in eine komplett andere Richtung gedreht hätte und schon gar nicht, dass sich der Zürcher an den momentan vorherrschenden Mainstream angepasst hätte. Im Gegenteil: Er hat ein – sogar unbeabsichtigtes – Zeichen dafür gesetzt, dass er sich in Bezug auf seine Musik nichts vorschreiben lässt.

«Ich finde es geil, wenn unterschiedliche Tracks mit verschiedenen Einflüssen entstehen, und das habe ich auf meinen Alben immer durchgezogen. Ich habe das Gefühl, ich könnte der Schweizer DJ Khaled sein… Nur mein Social-Media-Game müsste ich noch ein bisschen upsteppen.»

Was auf seinen ersten Projekten noch ein experimentelles Durcheinander war, ist heute erprobte Vielseitigkeit, die sich bei LUUK in den letzten beiden Alben und auf seinem neuen Projekt mit einer tadellosen Konstanz erkennen lassen. Passend dazu präsentiert dich die Bandbreite der Features, die er auf «Renaissance» vorweist: XEN, EAZ, LIBA, Ryler Smith, Ben Whale, Skinny Stylus und Soldi decken nicht nur topografisch die halbe Schweiz ab, sondern vereinen all ihre musikalischen Unterschiede unter LUUKs Projekt.

 Auch nach acht Jahren als Musiker in der Schweiz hat er noch nicht genug von der Szene oder seinem eigenen Schaffen. Während sich die Freunde des 28-Jährigen ihren festen Platz in der Arbeitswelt gefunden haben und gerade dabei sind, Familien zu gründen, bleibt LUUK weiterhin seiner Kunst treu. «Du bausch äs Huus, ich bau Songs», rappt er auf seiner Single «Ghost», und ist stolz auf seinen Lifestyle und bastelt weiter an seiner grössten Leidenschaft.

 Wieso trägt dein neues Album den Titel «Renaissance»?

Mein erstes Album hiess «Coitus», der Akt, dann kam «1990», stellvertretend für die Geburt, und schliesslich kam «Nirvana», der Zustand zwischen zwei Leben. Nun folgt «Renaissance», die Wiedergeburt.

Und das hat sich zufällig so ergeben?

Wir waren für den Videodreh zu «Dreamteam» auf einem Hausdach gleich neben dem Hotel «Renaissance», und plötzlich hat alles für mich Sinn ergeben. Um die schöne Stimmung einzufangen, habe ich mit dem Handy ein Foto gemacht – und dieses Bild ist jetzt das Albumcover. Also hat sich mein schöner Vierteiler, wie alles bei mir, einfach so ergeben.

Woher nimmst du den Antrieb für die Konstanz in deinen Produktionen? Immerhin veröffentlichst du bald das dritte Album innerhalb von drei Jahren.

Die Musik ist schlicht und einfach meine grösste Passion und das, worin ich am meisten Energie und Effort stecke – es ist das, was ich einfach machen will. Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass ich mich in der «normalen» Arbeitswelt auch wohlfühlen kann, diese Erfüllung, die ich durch meine Musik erlebe, habe ich dort aber noch nicht gefunden. Natürlich ist meine musikalische Leistung konstant, aber seit «Nirvana» ist auch schon wieder einige Zeit vergangen. Ich bin auch nicht der Typ, der fünfzig Songs schreibt, und dann die zehn besten auswählt. Bei mir passieren genauso viele Songs, wie auf dem Album zu finden sind. Ich mache einfach – und schaue, dass am Ende etwas Gutes dabei rauskommt.

Wie hat sich aus deiner Sicht deine Rolle im Schweizer Rap-Game in den letzten Jahren geändert? Ein Geheimtipp bist du definitiv nicht mehr.

Natürlich bekommt man mit, dass es immer mehr Leute gibt, die die eigene Musik hören und feiern, und das ist natürlich ein sehr schönes Gefühl. Es tut gut, wenn man Wertschätzung für die eigene Kunst erfährt. Und weil mir die Musik so wichtig ist, ist es selbstverständlich auch meine Wunschvorstellung, dass sie zu meinem normalen Beruf wird. Aber man darf sich über solche Dinge vor allem nicht zu sehr den Kopf zerbrechen. Wenn man unbedingt erfolgreich sein will und nur noch daran denken kann, versteift man sich irgendwann.

Was sind deine Ziele mit dem neuen Album?

Ich mache das Ganze wirklich, weil ich es gerne mache und weil ich finde, dass ich es gut mache. Hierbei geht es nur um die Leidenschaft. Aber klar, ich sehe mich auch in der Zukunft in der Musik. Egal, ob als Künstler oder vielleicht auch als Künstlerbetreuer oder Manager, ich werde versuchen, von der Musik zu leben. Und irgendwann später, wenn ich 45 bin, eröffne ich vielleicht ein kleines Bistro – guter Sound, ein Teller am Mittag, etwas Kleines und Gemütliches. Sich Ziele zu setzen ist wichtig, aber wenn, dann langfristig.

«Ich fühle mich nicht als der grösste OG der Strasse, sondern eher als die Person, die die Missstände unserer Gesellschaft mitbekommt, sieht und ansprechen will. Ich will darauf aufmerksam machen, damit die Konflikte auch irgendwann gelöst werden können – und wir uns auf die positiven Vibes konzentrieren können.»

Mit «TK Pizza Rotwii» und «Isch scho oke» schlägst du eher eine Newschool-Richtung ein – im Gegensatz zum gesamten «Nirwana»-Album, das oft eher den Oldschool-Vibe versprüht hat. Das Album ist sehr vielfältig geworden, es ist nicht alles auf dieser Newschool-Schiene wie die ersten Singles. Das überrascht vielleicht auf den ersten Blick, weil ich mich mit «Nirwana» nicht immer in dieser Ecke bewegt habe und von vielen auf Boom-Bap reduziert wurde. Aber ganz ehrlich: Ich habe schon immer gerne experimentiert, und das mache ich auch weiter so. Ich hasse diese Schubladen «Trap» oder«Old-School», das schränkt dich nur ein. Hör doch einfach was du geil findest und vergiss diese Labels.

Welche Rolle spielt DavïdM in diesem Prozess?

Mit David habe ich unseren Sound begonnen, Garagen-Band und Interdiscount-Mikro inklusive. Wir sind gute Freunde und wir finden uns immer irgendwie, wenn wir gemeinsam an unserer Musik sitzen. Er ist auch einfach ein ultraguter Produzent, der es aus meiner Sicht überall schaffen könnte. Logisch gibt es auch ab und zu Dinge, die er anders machen würde. Aber ich habe mit der Zeit gelernt, dass ich mich durchsetzen muss, wenn ich ein gutes Gefühl bei etwas habe.

Hat sich auch die Richtung deiner Texte geändert? Immerhin bist du bekannt dafür, auch einmal deepe Lines kicken zu können. Wie wichtig blieb dir das auch bei deinem neuen Projekt?

Diese Art von Texten ist tief in mir und wird mir immer wichtig bleiben. Und das muss überhaupt nicht im Widerspruch zu Newschool-Sound stehen. Ich schränke mich in der musikalischen Stilrichtung nie ein und verbinde auch modernen Sound mit Texten, die etwas hergeben. Ich muss auch zugeben, dass ich schon auch meine Probleme mit dem Party-Lifestyle habe, der in unserer Gesellschaft so präsent ist und von so vielen Jungen zelebriert wird. Das ist nicht einmal nur auf die Trap-Szene bezogen, ich sehe das auch allgemein so. Es stimmt mich traurig, wenn man von den Problemen der Welt flüchtet und sich dafür und sich dafür jedes Wochenende die Kante gibt, um nicht darüber nachdenken zu müssen. Sicher, jeder schiesst sich mal ab und jeder schlägt ab und zu über die Stränge, aber man sollte sich doch darauf konzentrieren, aus dieser Misere, in der unsere Gesellschaft steckt, wieder herauszukommen, anstatt einfach die Augen zu verschliessen.

Gerade wegen deinen sozialkritischen und oft auch harten Lyrics wirst du immer wieder mit Street-Rap assoziiert. Was hältst du von dieser Verbindung?

Ich denke, dass ich mit meinen Texten für viele Leute spreche und Wahrheiten zeige. Aber ich fühle mich nicht als der grösste OG der Strasse, sondern eher als die Person, die die Missstände unserer Gesellschaft mitbekommt, sieht und ansprechen will. Ich will darauf aufmerksam machen, damit die Konflikte auch irgendwann gelöst werden können – und wir uns auf die positiven Vibes konzentrieren können. Natürlich sind meine Texte energetisch, aber das ist einfach Rap für mich. MCs sind ein Spiegel der Gesellschaft und sie schaffen es wie niemand sonst, ungefilterte Wahrheiten über die Gesellschaft rüberzubringen. Dieses Ziel verfolge ich auch.

Deine Vielseitigkeit, mit der du die unterschiedlichsten Atmosphären erzeugst, zeigt sich aber nicht nur in Lyrik und Sound, sondern auch in den Features auf «Renaissance».

Genau! Bei mir finden sich die verschiedensten Camps und Künstler auf einem Album. Von Physical Shock über Soldi, Skinny Stylus, Ryler Smith und Ben Whale bis zu einem Freund, der nicht erkannt werden will. Ich finde es geil, wenn unterschiedliche Tracks mit verschiedenen Einflüssen entstehen, und das habe ich auf meinen Alben immer durchgezogen. Das war schon immer so bei mir, schon bei meinen allerersten Rap-Projekten, und darauf bin ich auch stolz. Ich habe das Gefühl, ich könnte der Schweizer DJ Khaled sein… nur mein Social-Media-Game müsste ich noch ein bisschen upsteppen (lacht).

Der Crew-Lifestyle bleibt also ein Hauptthema auf dem neuen Album.

Auf jeden Fall, denn das ist ja auch die schöne Sache amGanzen. Fast mein gesamtes Umfeld ist in dieser Szene aktiv und ich kann mit jedem etwas Kreatives entstehen lassen. Wir sind alle wirklich gut miteinander befreundet und geniessen es, dass wir in dieser Richtung zusammenarbeiten können.

«Ich muss auch zugeben, dass ich schon auch meine Probleme mit dem Party-Lifestyle habe, der in unserer Gesellschaft so präsent ist und von so vielen Jungen zelebriert wird.» 
Auf «Coitus» rappst du: Die Schweiz ist noch nicht bereit für Rap. Ist sie es jetzt, fünf Jahre später?

Ich weiss noch genau, welchen Gedanken ich im Kopf hatte, als ich den Song geschrieben habe. Es war zu dieser Zeit, als «Din 16er» auf YouTube lanciert wurde, und ich dachte einfach: «Krass! Da entwickelt sich etwas, das viral geht!» Und das war vorher noch nie so, alles bekam auf einmal mehr Aufmerksamkeit. Gefühlsmässig denke ich aber immer noch, dass die Schweiz Deutschland circa fünf Jahre hinterherhinkt. Vielleicht ist die Schweiz mittlerweile schon ein Stück weiter, aber es ist immer noch schwierig, in der Schweiz als Künstler Fuss zu fassen. Es wird sicher noch ein paar Jahre dauern - wenn es nicht am kleinen Markt scheitert.

Text: Isabella Ospelt

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