Das sagen ein türkischer und ein kurdischer Rapper zum Konflikt in Syrien: Didi und Jiyabi im Interview
Friday
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11
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November
2019

Türkische Militäroffensive in Nordsyrien

Das sagen ein türkischer und ein kurdischer Rapper zum Konflikt in Syrien: Didi und Jiyabi im Interview

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November
2019

Türkische Militäroffensive in Nordsyrien

Das sagen ein türkischer und ein kurdischer Rapper zum Konflikt in Syrien: Didi und Jiyabi im Interview

Das sagen ein türkischer und ein kurdischer Rapper zum Konflikt in Syrien: Didi und Jiyabi im Interview
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Die Medien sind voller Schlagzeilen: Soldatengrüsse im türkischen Fussballnationalteam, Statements von Trump und die anhaltende humanitäre Krise. Die türkische Militäroffensive ist so komplex und weitreichend, dass es schwierig ist, diese in seiner ganzen Tiefe zu erfassen – vor allem als Aussenstehende in der Schweiz. Zwei Schweizer Rapper, Didi mit türkischen Wurzeln und Jiyabi, der aus Kurdistan stammt, erzählen von ihrer Sicht auf den Konflikt.

Die türkische militärische Offensive in Syrien geht weiter. Gegner sind Kurden. «Operation Friedensquelle» nennen es die Streitkräfte, andere wiederum sprechen von einem Genozid im kurdischen Gebiet. Wir haben zwei Stimmen aus dem Schweizer Rap zu Wort kommen lassen, was sie über den Konfliktherd im Nahen Osten denken.  

Didi

Didi ist Sohn eines Türken und einer Schweizerin. Obwohl Didi in seinem Auftritt nur selten als politisch wahrgenommen wird, haben wir ihn gefragt, wie er den Konflikt in der Schweiz zu spüren bekommt.

«Du hängsch amne Stammtisch. Ich mit Lüüt mit F-Ufenthalt»: Seine ideologischen Standpunkte lässt Didi zwischen den dominanten Bässen aufblitzen.

Welchen Bezug hast du persönlich zur Krise in Syrien?

Mein Vater und seine ganze Familie stammt aus der Türkei – und seine Familie ist sogar geteilt. Heisst: Die eine Hälfte ist kurdischer Herkunft, die anderen sind Türken. Die ethnische Teilung war deshalb schon seit ich denken kann ein präsentes Thema in meiner Familie.

Die Medien schreiben von einer Kriegseuphorie bei den Türkinnen und Türken. Bekommst du diese Stimmung mit in der Schweiz?

Den Konflikt bekomme ich vor allem durch die Medien zu spüren. Weil aber viele Leute wissen, wie mein kultureller Hintergrund ist, sprechen mich einige auch auf die aktuellen Geschehnisse an. «Gäll isch schlimm, was grad passiert?» oder «Was meinst du zu diesem Krieg?», werde ich deshalb häufig gefragt. Weil ich zum Konflikt einen näheren Bezug habe, werde ich in solche Gespräche verwickelt. Letztens erst habe ich mit meinem Coiffeur, der Kurde ist, darüber gesprochen.

«Ethnie und Nationalität sollten die letzte Rolle spielen. Es ist einfach dumm, solche Grenzen zu ziehen.»

Wie ist der Umgang zwischen Türken und Kurden in der Schweiz?

Da kann ich nur aus meiner Sicht berichten. Bei mir ist es so, dass ich sowohl Türken, als auch Kurden in meinem Freundeskreis habe. Ich hasse nationalistisches und faschistisches Gedankengut – ich verabscheue es! Deshalb will ich auch keine solchen Leute in meinem Umfeld haben. Ich akzeptiere solche Denkweisen einfach nicht. Deshalb kenne ich ehrlicherweise keine Nationalisten. Weil meine besten Freunde Türken und Kurden sind, können wir das Thema besprechen und reflektieren. Ethnie und Nationalität sollten die letzte Rolle spielen. Es ist einfach dumm, solche Grenzen zu ziehen.

Trägt der Westen in deinen Augen Mitschuld an den humanitären Krisen in Syrien?

Ich denke, dass Interessen von Grossmächten mitspielen. Ich bin kein Experte in diesem Konflikt, deshalb ist es schwierig, für mich das Geschehen zu kommentieren. Ich möchte mir nicht anmassen, meine Einschätzung zu der Schuldfrage abzugeben. Es ist eine sehr komplexe Geschichte, die sehr weit zurückreicht. Ich bin gegen Krieg, ich bin gegen tote Zivilisten. Ich bin für eine demokratische Auseinandersetzung.

Was muss sich ändern, damit sich die Situation in Syrien stabilisiert?

Sehr schwierige Frage. Das Erste sollte natürlich sein, den Krieg zu beenden. Es muss aber auch einen politischen Kurswechsel in der Türkei geben: Weg von einer nationalistischen Regierung, die gegen Kurden, Andersartigkeit, freie Meinungsäusserung und gegen die Demokratie vorgeht. Das würde die Situation vielleicht zu einem Teil entschärfen. Der Konflikt ist aber viel tiefgreifender und reicht sehr weit in die Geschichte zurück. Es ist deshalb heikel, eine solche Prognose zu machen.

Auf Instagram spreadest du Awareness für Rojava. Engagierst du dich noch anderweitig?

In meiner Rolle als Musiker, der in der Öffentlichkeit steht, sehe ich meine Aufgabe in erster Linie darin, zu sensibilisieren, auf die Probleme aufmerksam zu machen und mich mit den Opfern zu solidarisieren. So kann ich meine Fans vielleicht dazu bewegen, sich zu informieren. Deshalb habe ich beispielsweise auch einen Artikel zu dem Thema geteilt. Man wird mich aber auch an Demos sehen.

Didi [Foto: Yannis Blättler]

Jiyabi

Die Songs in Jiyabis Repertoire sind vielfach politisch motiviert. So hat er bereits über die Schicksale von Flüchtlingen gerappt. Zum Blutvergiessen im Nahen Osten hat er sich auf seinem neuen Song «Rojava» gesprochen.

Welchen persönlichen Bezug hast du zur Krise?

Ich bin ein Schweiz-Kurde und stamme aus dem Norden Kurdistans. Das erste Mal war ich Ende 2014 in Rojava um Hilfsgüter an Flüchtlinge zu überbringen. Damals mussten sich die Kurden im eingekesselten Kobane gegen den IS wehren. Seither verfolge ich das Geschehen meiner Landsleute in Rojava und Westkurdistan intensiv.

Wie erklärst du den Konflikt?

Rojava ist ein demokratisches Gebiet in Nordsyrien, dass sich selbst verwaltet. In Rojava sind Frau und Mann gleichgestellt. Inmitten im Nahost-Pulverfass liegt das kurdische Gebiet, dass sehr reich an Ressourcen ist. Der Vertrag von Sèvres sicherte den Kurden nach dem ersten Weltkrieg ein eigenes Gebiet zu. Dieser wurde im neu errichteten türkischen Nationalstaat allerdings nicht akzeptiert – obwohl die Kurden und türkischen Soldaten Jahre zuvor noch miteinander gekämpft hatten. In der Geschichte gab es viel Verrat. Auch heute wieder mit dem Abzug der Amerikaner. Ein kurdisches Sprichwort sagt deshalb: ‘Die Kurden haben keine Freunde ausser die Berge.’ Als Kurdischstämmiger bist du also ständig in Politik involviert. Ich engagiere mich deswegen auch in der Schweiz für ein soziales Miteinander in der SP.

«Ich schreibe Songs um die Menschen zu motivieren und zu bewegen. Dafür stand und steht HipHop für mich.»

Du klagst in deinem Song «Rojava» auch den Westen an. Wo hat in deinen Augen die Politik im Westen versagt?

Der Westen braucht die Kurden seit eh und je, um die weltpolitischen Probleme im Nahen Osten zu lösen und lässt sie jetzt wieder fallen. Ich erwarte von den Europäern, den grossen Mächtigen, einem Europa drohenden Despoten, die Stirn bieten zu können, statt nur zu argumentieren und zu kommentieren.

Was muss sich deiner Meinung nach in der Politik ändern, damit sich die Situation in Syrien stabilisiert?

Ich als Schweizer Kurde habe keine Erwartungen an die neutrale Schweiz. Ich wünsche mir aber, dass die Waffenexporte gestoppt werden. Die EU muss sich vor Ort intensiver einsetzen. Denn die Amerikaner haben als Weltpolizei versagt.

Wie engagierst du dich?

Ich schreibe Songs wie «Rojava», um die Menschen zu motivieren und zu bewegen. Dafür stand und steht HipHop für mich.

Jiyabi

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