Streaming-Dienste: Willkürliche Zensur?
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2018

Streaming-Dienste: Willkürliche Zensur?

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2018

Streaming-Dienste: Willkürliche Zensur?

Streaming-Dienste: Willkürliche Zensur?
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Spotify und Apple Music haben sich aufgrund der Missbrauchsvorwürfe gegen XXXTentacion und R. Kelly dazu entschieden, die beiden Künstler nicht mehr in ihren selbsterstellten Playlisten aufzuführen und sie nicht mehr durch Werbung zu supporten. Dazu aufgefordert wurden sie von einer feministischen Organisation. Der Aufschrei, der dadurch in der HipHop-Szene provoziert wurde, ist berechtigt – gleichzeitig aber auch rückständig und unüberlegt. Eine Kolumne aus dem kommenden Magazin.

HipHop- und R’n’B-Fans auf der ganzen Welt fühlten sich verletzt, unterdrückt und zensiert, als sich Spotify dazu entschloss, alle Tracks von XXXTentacion und R. Kelly aus den hauseigenen Playlists zu löschen und auch auf Werbung für die zwei Künstler von nun an zu verzichten. Weitere Streaming-Anbieter wie Apple Music und Pandora zogen innerhalb weniger Tage nach. Man kann sich zwar noch die Musik von den beschuldigten Künstlern auf den Plattformen anhören und sie in eigene Playlists einbauen, von den Firmen Spotify, Apple und Pandora Media werden die beiden aber nicht mehr aktiv gepusht, um mehr Hörer auf die Künstler-Profile zu bringen.Der Grund für diese Entscheidung ist offensichtlich: Seit längerer Zeit gibt es Missbrauchsvorwürfe gegen XXX und R. Kelly, die durch das Aufkommen des feministischen «Time's up»- und «MuteRKelly»-Movement immer stärker in den Medien thematisiert wurden. R. Kelly wird bereits seit dem Jahr 1994 (!) immer wieder vorgeworfen, Minderjährige missbraucht und Kinderpornographie erstellt zu haben – letztes Jahr tauchte gar die Anschuldigung auf, dass sich Kelly einen «Sex-Kult» gehalten habe, über den er bestimmen konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden alle Anklagen aussergerichtlich (also durch Vergleiche) ausgehandelt. XXXTentacion war als Jugendlicher wegen einem Überfall mit einer tödlichen Waffe in einer Jugendhaftanstalt und wird nun beschuldigt, seine Freundin geschlagen zu haben. Dass diese zum Zeitpunkt der Körperverletzung schwanger gewesen sein soll, konnte bereits ausgeschlossen werden, das Gerichtsverfahren gegen XXX läuft aber noch.

Die Legitimierung der Reaktion von Spotify bei genau diesen zwei Fällen führt die Firma auf ihre neue «Hateful Conduct Policy» zurück: «In some circumstances, when an artist or creator does something that is especially harmful or hateful (for example, violence against children and sexual violence), it may affect the ways we work with or support that artist or creator.» Spotify stellt sich in den Fällen von R. Kelly und XXXTentacion also gegen eine komplette Zensur der Kunst, sondern richtet sich mit ihrer Aktion gezielt gegen die Privatpersonen Robert Sylvester Kelly und Jahseh Dwayne Onfroy – denn Missbrauchsvorwürfe können nicht mit den «redaktionellen Entscheidungen» und den Werten der Firma vereinbart werden.Natürlich stand Spotify, genau wie die anderen Anbieter, unter extremem medialem Druck. Natürlich hätte Spotify diesen Schritt nie gewagt, wenn die Debatte um R. Kelly und XXXTentacion nicht ständig auf sämtlichen News-Plattformen diskutiert worden wäre. Natürlich ist es nicht in Ordnung, dass nur bei genau diesen beiden Künstlern Konsequenzen aus ihrem Verhalten gezogen wurden – obwohl, und das ist wohl vor allem bei XXXTentacion das Hauptroblem, noch keine Verurteilung stattgefunden hat. Sowohl Medien, Streaming-Plattformen und Movements wie «MuteRKelly» ignorieren die Unschuldsvermutung – weil es die bessere Story ergibt, weil man mitziehen muss, und im letzten Fall, weil man sich noch immer ungerecht behandelt fühlt, das Rechtssystem in Missbrauchsfällen immer noch nicht richtig funktioniert und struktureller Sexismus immer öfter als Erfindung der machtbesessenen Feministen angesehen wird.

Besonders wir HipHop-Fans sind nun gefordert, denn wir sollten die Spotify-Aktion nicht als «Angriff gegen die Szene» ansehen, sondern als das, was es ist: Eine ungeschickt aufgegleiste, aber dennoch nötige Aktion, die irgendwann kommen musste. Bitte kritisiert die Streaming-Anbieter dafür, dass sie ihre Position (noch) nicht konsequent durchsetzen – aber der Missbrauchs-Thematik mit Ignoranz zu begegnen, weil ihr nicht sehen wollt, wie die schöne Blase, die ihr um eure Lieblings-Künstler aufgebaut habt, vor euren Augen zerplatzt, ist sicherlich der falsche Weg.Ihr könnt die Musik von XXXTentacion fühlen und zu R.-Kelly-Hits abtanzen, aber dann seid euch auch bewusst, was diesen Menschen vorgeworfen wird. Obwohl XXXTentacion gemäss Medienberichten wieder in die Playlist aufgenommen wurde, ist es wichtig, dass ihr euch fragt: Will ich diesen Menschen mit meinem Like, mit meinem Klick, mit einem Album-Stream unterstützen? Denn dieser Wert landet nicht nur beim Künstler, sondern auch bei der Person dahinter.

Text: Isabella Ospelt

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