Posthume Alben: wichtiger Tribut oder seelenloser Kommerz?
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2020

Kolumne

Posthume Alben: wichtiger Tribut oder seelenloser Kommerz?

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Posthume Alben: wichtiger Tribut oder seelenloser Kommerz?

Luca Thoma
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Posthume Alben: wichtiger Tribut oder seelenloser Kommerz?
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Der Erfolg von Juice Wrld wärmt eine uralte Debatte auf: Sind posthum zusammengestellte Alben ein schöner und wichtiger Tribut an die toten Künstler oder wollen sie nur eine Rest-in-Peace-Welle surfen, um ein letztes Mal richtig abzucashen?

Posthume Alben sind derzeit so präsent wie schon lange nicht mehr. Da wäre zum einen natürlich das vielbesprochene Juice Wrld-Album «Legends Never Die» – bis anhin das Rap-Album mit der besten Entry Week des Jahres. Dazu gesellen sich posthume Releases wie das grossartige Pop Smoke-Album «Shoot For the Stars, Aim for the Moon» oder das Meisterwerk «Circles» von Mac Miller – alles grosse Kunst. Dennoch haben posthume Alben in der öffentlichen Debatte oft einen bitteren Nebengeschmack. Warum?

«Wenn posthume Alben mit Respekt vor dem Künstler und seinem Werk zusammengestellt werden, können sie viele Menschen berühren und glücklich machen»

Der Vorwurf, der gerne und oft laut wird: Major-Labels und raffgierige Verwandte klauben sich alles, was auf den Desktops der Verstorbenen noch rumlag, um daraus auch noch den letzten Cent herauszupressen. Ein Paradebeispiel dafür ist etwa der widerliche Umgang mit Michael Jacksons Erbe. Aus halbfertigen Songs und Rest-in-Peace-Parolen Geld zu machen, ist in der Tat geschmackslos – ja, ehrenlos. Leider liegt diese Problematik noch nicht hinter uns, wie die gefühlt tausend Alben und Mixtapes, die posthum von Lil Peep und XXXTentacion releast wurden und tausende Fans enttäuschten, zeigen. Da wurden lieblos Songs zusammengewürfelt und bisweilen vier Zeilen auf einen ganzen Song gestreckt. Die Fans bekamen lieblose, ungewürzte, dünne Sound-Suppen von ihren musikalischen Idolen serviert. Eine Frechheit.

«Die Legacy von Rap-Ikone 2Pac nährte sich stark durch die posthumen Klassiker, die mitunter auf einem Wahnsinnsniveau waren»

Andere posthume Alben wiederum zeugen jedoch von viel Feingefühl – etwa Mac Millers Album, das von seinem Hausproduzenten und seiner Familie mit viel Liebe und Würde kuratiert wurde und gute, zeitlose Musik transportiert. Hätte man die Songs liegen gelassen, wäre seine Diskographie um einen Meilenstein ärmer. Auch die Legacy von Rap-Ikone 2Pac nährte sich stark durch die posthumen Klassiker, die mitunter auf einem Wahnsinnsniveau waren. Wie traurig, wären Songs wie «Redemption» oder «Hold On Be Strong» in der Schublade verstaubt.

Das zeigt: Wenn posthume Alben mit Respekt vor dem Künstler und seinem Werk zusammengestellt werden, können sie viele Menschen berühren und glücklich machen und grossartige Kunst an den Hörer und die Hörerin bringen. Wenn sie jedoch einzig den Zweck verfolgen, den tragischen Tod des Künstlers kommerziell auszuschlachten, sind sie eine Beleidigung für den Toten und die Fans.

«Der Vorwurf, der gerne und oft laut wird: Major-Labels und raffgierige Verwandte klauben sich alles, was auf den Desktops der Verstorbenen noch rumlag, um daraus auch noch den letzten Cent herauszupressen»

Es ist deshalb richtig, wenn in dieser Affäre mit harten Bandagen gestritten wird. Wir als Rap-Fans dürfen uns die Kannibalisierung einer Künstler-Legacy nicht gefallen lassen und sollten sehr genau hinschauen und selektieren. Gute posthume Alben haben einen Ehrenplatz im Plattenschrank verdient. Schlechte posthume Alben sollte man so gut wie nur möglich canceln und geflissentlich vergessen, denn sie sagen nichts über die Kunst eines Rappers oder einer Rapperin aus, sondern spiegeln nur das schlechte Umfeld, in das sie geraten sind.

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