Die Zeit der Meme-Rapper ist vorbei
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2020

6ix9ines Downfall

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6ix9ines Downfall

Die Zeit der Meme-Rapper ist vorbei

Luca Thoma
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Die Zeit der Meme-Rapper ist vorbei
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Der Fall von 6ix9ine und Lil Pump zeigt: Memes und «funny moves» können ein cooles Vehikel sein, aber wenn nicht mehr dahintersteckt, droht die Belanglosigkeit.

«6ix9nes career is over»: Derzeit überschlagen sich im Ami-Game die Kommentare, in denen Expert*innen der Karriere von 6ix9ne ein baldiges Ende prophezeien. Nun, für’s Erste gilt es abzuwarten, ob sie damit wirklich Recht haben und ob die Unkenrufe mehr als Nebelpetarden sind. Denn der nervige Paradiesvogel hat schon allerlei Skandale überlebt und wurde schon des Öfteren für tot erklärt. Und er hat wie kein anderer vorgelebt: Auch schlechte Promo ist Promo. Warum nicht in diesem Fall? Sind diese Prophezeiungen der 6ix9ne’schen Endzeit der nervigen Aufmerksamkeits-Logik des New Yorker Rappers folgend etwas anderes als ein weiterer Spritzer Gleitmittel für das Weiterflutschen des lebensnotwendigen Aufmerksamkeits-Streams?

«Nur wenn substanzielle Musik dahintersteckt, macht die Symbiose aus Internethumor und Rap auf lange Frist Spass.»

Und doch häufen sich die Anzeichen: 6ix9ne ist angezählt. Klar, die Youtube-Videos klicken sich passabel. Klar, er chartet weiterhin mit seinen Songs und Alben. Und doch lösen seine Songs und Videos nicht mehr denselben Rummel aus wie früher – man denke etwa an das Video mit Nicki Minaj – trotz allem verlor er das Duell um Platz eins gegen Big Sean, der zwar ziemlich «big», aber nun auch nicht Jay-Z ist.

Dass die Leute langsam genug von dem Boy mit den farbige Haaren haben, ist auch wirklich verständlich: Egal ob Twitter-Trolling, nervige Insta-Promo und Boulevard-Schlagzeilen jeglicher Couleur, er hat das ganze Game durchgespielt. Was bleibt jetzt noch übrig, um in die Schlagzeilen zu kommen? Welches Tabu will er noch brechen? Kommen noch ein paar halbgare Tik-Tok-Challenges? Es ist niemandem zu wünschen.

«Das einzige Mittel, um im Gespräch zu bleiben, blieb sein Image als wandelndes Meme.»

Das Grunddilemma in der Causa 6ix9ne: Die Musik ist – pardon my french – am Ende des Tags nicht mehr als Müll. Als er 2017 mit «Gummo» ins Game steppte, fand ich das spannend: Der Style war aggressiv, der Flow irgendwie daneben, aber trotzdem interessant, die Songs roh und hässig. Danach verlor er sich mit jedem Reggaeton-Experiment und jeder Douchebag-Kollabo immer stärker in der musikalischen Belanglosigkeit. Das einzige Mittel, um im Gespräch zu bleiben, blieb sein Image als wandelndes Meme. Heute werten 6ix9ine wohl nur noch die wenigsten Menschen als Rapper, für das Internet ist er das Äquivalent zum Schweizer Cervelat-Promi: Überall dabei, ständig auf Sendung, aber inhaltslos und in seinem Heischen nach Aufmerksamkeit auch zunehmend langweilig und bemitleidenswert.

Damit ist er nicht alleine: Noch kurzlebiger als die Karriere von 6ix9ne war der Aufstieg und Fall seines Bruders im Geiste, Lil Pump. Zwar fruchtete dessen Versuch, sich durch die Positionierung als Trump-Supporter wieder etwas Aufmerksamkeit zu verschaffen – Stichwort «Lil Pimp» – aber seine musikalische Entwicklung als «Stagnation» zu beschreiben, wäre fast schon schmeichelhaft. Seit dem Hype um «Gucci Gang», «ESSKEETIT» und dem Pornhub-Song mit Kanye West kam soundmässig höchstens Halbgares heraus.

«Internet-Humor und HipHop haben schon viele Königshochzeiten gefeiert – man denke etwa an Drakes «Hotline Bling» oder Young Thugs «Wyclef Jean».»

Lieber versuchte er, durch unzählige Internet-Stunts wie etwa die «Pump Academy» auf sich aufmerksam zu machen. Der Auftritt auf der Trump-Rally zeigt nun, wie tief er gesunken ist. Das Pendant im deutschen Schlager wäre wohl die Eröffnung eines Autosalons und im Schweizer Pop-Game der Move, mit einem Auto ins Ringier-Gebäude zu crashen – shoutout Piero Esteriore. Rock bottom. So etwas anzuschauen, tut nur noch weh.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Memes und Rap sind an sich keine schlechte Sache. Internet-Humor und HipHop haben schon viele Königshochzeiten gefeiert – man denke etwa an Drakes «Hotline Bling» oder Young Thugs «Wyclef Jean». Ein anderes Beispiel aus dem Deutschrap ist Xatars Werdegang, dessen Karriere mit Internet-Jokes gespickt ist. Egal ob die «Mantel»-Geschichte, sein «craving» auf einen «Köfte ohne Reden» oder sein Trademark-Motto «zu wild hrrrr»: Memes verfolgen die Karriere des Bras wie 1 Jäger 1 Wildschwein.

Der kleine, aber feine Unterschied zu 6ix9ine: Es bleibt nicht beim Schenkelklopfer, sondern die Memes schaffen Aufmerksamkeit für guten Sound. So hinterlässt der Joke keinen faden Beigeschmack. Es gilt also: Memes können ein cooles Vehikel für interessante Künstler sein und schaffen auf humorvolle Art eine Nähe zwischen Rapper*in und Fan. Doch nur wenn substanzielle Musik dahintersteckt, macht die Symbiose aus Internethumor und Rap auf lange Frist Spass.

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